Argumente
für eine rationale Stadtentwicklung in
Schöneberg und ganz Berlin
Eine weitere Verdichtung der Innenstadt ist angesichts von Klimakatastrophe und Corona-Pandemie keine zukunftsfähige Lösung der Wohnraumproblematik in der Stadtentwicklung. Stattdessen müssen bestehende Grün- und Freiflächen erhalten werden.
Wenn in der Innenstadt gebaut wird, müsste der Nachweis vorhandener oder neu herzustellender, öffentlicher Grünflächen gemäß dem Landschaftsprogramm 2015 als verbindlicher Teil der sozialen Infrastruktur in unmittelbarer räumlicher Nähe des Bauvorhabens verlangt werden.
Der vorliegende Planentwurf verfehlt sein vorgebliches Ziel „… einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung …“. Vor dem Hintergrund des Klimawandels gibt es hier kein “hohes Nachverdichtungspotenzial“. Weder die „Ziele“ noch die „Auswirkungen der Planung“ noch auch die „Anderweitigen Planungsziele“ beinhalten als Voraussetzung für Nachverdichtungen in Schöneberg das bedarfsgerechte Vorhandensein oder die Herstellung zusätzlicher wohnungs- und siedlungsnaher, öffentlicher Grünflächen als Teile der sozialen Infrastruktur.
Die Einstufung aufgrund der benachbarten Grünfläche des betreffenden Plangeltungsbereichs im Landschaftsprogramm (LaPro) 2016 als Dringlichkeitsstufe IV (versorgt) ist ungeeignet zur Begründung der angestrebten Nachverdichtung, denn der Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf ist schon heute übernutzt. Die Versorgungslage in Schöneberg und damit auch am Mühlenberg gemäß LaPro 1994 müsste aufgrund der schon vor 27 Jahren registrierten, eklatanten Defizite an öffentlichen Grünflächen in Schöneberg
(121 ha) sämtliche Formen von Nachverdichtung ausschließen. Die defizitäre Lage würde hier um jeweils 26 m²/WE und damit im vorliegenden Fall um weitere ca. 3.120 m² an solchen Flächen vergrößert werden.
Nachhaltigkeit der Planung
Der Flächennutzungsplan (FNP) 2015 wie auch der Bebauungsplanentwurf (B-Plan)7-83 unterliegen § 1 Abs. 5 S.1 Baugesetzbuch (BauGB). Dieser verlangt „eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten.“
Beide genannten Bauleitpläne verfehlen jedoch diese komplexe Zielbestimmung. Ihre Darstellungen bzw. Festsetzungen über Art und Maß der baulichen sowie sonstigen Nutzung (vgl.§ 1 Abs. 1 BauGB) entsprechen nicht den „Anforderungen künftiger Generationen“, wie sie sich vordringlich aus aktuell einzuleitenden Klimaschutzmaßnahmen ergeben (vgl.Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 24.03.21 / Az 1 BvR 2656/18 zur Verfassungsbeschwerde über das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung).
Die Bauleitplanung hätte die stadtplanerischen Voraussetzungen für die Schaffung von erheblich mehr an öffentlichen und privaten Grünflächen zu schaffen, statt diese noch weiter zu bebauen.
Dem FNP 2015 untergeordnet ist das geltende Landschafts- und Artenschutzprogramm (LaPro) 2016. Das bedeutet, dass dessen Richtwerte für die erforderlichen Grünflächen in der Stadt für die bau- und stadtplanerische Realisierung unverbindlich sind. Ferner ist auch die Darstellung der baulichen Grundstücksausnutzung insbesondere in der „inneren Stadt“ insofern obsolet, als sie dort nach oben offen, nach unten aber mit der GFZ = über 1,5 gedeckelt ist, womit z.B. auch Bebauungspläne für Hochhäuser mit beliebiger Höhe entwickelbar sind.
Daraus folgt, dass aus einem fehlerhaften vorbereitenden Bauleitplan kein fehlerfreier verbindlicher Bauleitplan entwickelbar ist. Der ausgelegte Bebauungsplan ist daher mit den vorgenannten gesetzlichen Vorgaben des BauGB unvereinbar und wird daher im Interesse des „Wohls der Allgemeinheit“ wie auch der unmittelbar betroffenen Bürgerinnen, deren objektive „Wohnbedürfnisse“ unberücksichtigt blieben, abgelehnt.
Private oder öffentliche Grünfläche ?
Der vorgesehenen „Festsetzung einer privaten Parkanlage und grünordnerischer Maßnahmen“zur Sicherung eines „begrünten Wohnumfeldes des Plangebietes“, die angeblich „zu einem attraktiven Erscheinungsbild des Wohnquartiers“ beitragen soll, muss widersprochen werden. Der bestehende Bebauungsplan enthält an der betreffenden Stelle keine „private Grünanlage“. Die gesamte geplante, private Grünfläche ist bisher als öffentliche Grünfläche des Bebauungsplan XI-61 vom 26.04.1962 festgesetzt.
Mit dem neuen Bebauungsplan soll eine überhöhte bauliche Grundstücksausnutzung ermöglicht werden – gerechtfertigt durch die vorhandene Grünfläche. Deren Bebauung und Umwidmung als private Grünfläche würde das Defizit an öffentlichen Grünflächen jedoch weiter erhöhen.
Hinzu kommt, dass auch bei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften leider eine Privatisierung nicht auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen werden kann, womit die öffentliche Nutzbarkeit der restlichen Grünflächen gefährdet wäre.
Die vorgesehene „extensive Dachbegrünung“ die angeblich als „grünordnerische Maßnahme … zu einem attraktiven Erscheinungsbild des Wohnquartiers“ beiträgt (vgl. III 1 Planbegründung) kann dieser Zielsetzung nicht entsprechen, denn die Dachflächen sind von unten überhaupt nicht sichtbar.
Wohnverhältnisse
Durch das 1984 geänderte und seither fortgeltende Dichtemodell des Flächennutzungsplans (FNP), und durch die geänderten Abstands- und Freiflächenregeln der Berliner Bauordnung BauO Bln), wurden seit 2006 die nach Neubauten verbleibenden privaten Grünflächen auf den jeweiligen Grundstücken der „inneren Stadt“ (vgl. FNP) radikal verringert. Hinzu kommt, dass durch die seit Jahrzehnten geübte Praxis der Erteilung zumindest rechtlich umstrittener Befreiungen vom Baunutzungsplan 1958/60 zwecks Nachverdichtungen aller Art das Defizit an öffentlichen Grünflächen in Schöneberg deutlich erhöht wurde. Für die Einwohnerinnen Schönebergs stellt beides zusammen eine einschneidende und kontinuierlich größer werdende Verschlechterung ihrer Wohnverhältnisse dar.
In § 1 Abs. 6 BauGB heißt es: „Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen: 1. die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung“. Diese bundesrechtliche Norm muss im Bebauungsplanverfahren durch das landesrechtliche Bauordnungsrecht umgesetzt werden, hier im Wesentlichen durch § 6 – Abstandsflächen, Abstände – der Bauordnung für Berlin (BauO Bln).
Mit der der Bauordnung 2005 wurden die erforderlichen Mindestabstände der Gebäude im Allgemeinen um 60% reduziert, obwohl die bundesrechtlichen Vorgaben unverändert fortgelten. Es ist fraglich, ob dies überhaupt rechtens ist, denn „die allgemeinen
Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse …“ durch das Bauordnungsrecht werden damit drastisch reduziert. Z.B. soll die Besonnungsdauer der Südfassade des Bestandshochhaus Meraner Str. 33 – die nur 12,1 m von der vorgesehenen Baugrenze des südlich geplanten Hochhauses entfernt ist – um bis zu fast 40% verringert werden.
Ob das zulässig ist, ist auch deshalb zweifelhaft, weil davon ausgegangen werden kann, dass es hier einen planungs- und bauordnungsrechtlichen Bestandsschutz gibt. Beide Regelungsbereiche wurden schließlich erst nach dem Inkrafttreten des bestehenden Bebauungsplanes vom 26.04.1962 und ohne eine qualifizierte Beteiligung der unmittelbar Planungsbetroffenen, also ohne demokratische Legitimation geändert.
Es entspricht demnach keineswegs den Tatsachen wenn es im Fazit des Entwurfs der Planbegründung heißt: „Die Schutzziele des Abstandsflächenrechts (Belichtung, Besonnung und Belüftung, Sozialabstand im Sinne des Wohnfriedens sowie Brandschutz) bleiben durch den Bebauungsplan 7-83 gewahrt.“ Vielmehr ist davon auszugehen, dass das genaue Gegenteil der Fall ist.
Bestehendes Ortsbild
Dem bestehenden Ortsbild wurde – im Gegensatz zur Feststellung in der Planbegründung – keineswegs „hinreichend Rechnung“ getragen . Es kann keine Rede davon sein, dass „ein städtebauliches Konzept ausgewählt“ wurde, das eine „verträgliche Nachverdichtung im Einklang mit dem vorhandenen Erscheinungsbild des Bauensembles Am Mühlenberg ermöglicht.“ Insbesondere die beiden vorgesehenen Hochhäuser nördlich und südlich des bestehenden Hochhauses in der Meraner Str. 33 führen dazu, dass z.B. für das Erscheinungsbild von der Steinacher Straße aus nach Westen gesehen eine 12geschossige
und fast 90 m breite Wand mit 2 Schlitzen entsteht, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Erscheinungsbild der Siedlung zu tun hat.
Der künftige Anblick auch von der Meraner und der Ehrwalder Straße aus nach Osten gesehen, beschädigt das schutzwürdige Erscheinungsbild des Bestandes nachhaltig. Nicht ersichtlich ist, weshalb die mögliche Höhe der Neubauten – wenn sie denn tatsächlich erforderlich wären – nördlich und südlich des Bestandsgebäudes Meraner Straße 33 nicht auf 4-6 Geschosse begrenzt wird, was mit der Höhe der Nachbargebäude insbesondere in der Meraner Str. schon eher verträglich erschiene.
Auch der geplante 8-geschossige Neubau im Nordosten des Plangeltungsbereichs hat nichts mit dem bestehenden Erscheinungsbild einer „aufgelockerten Stadt“, wie es für das bestehende Wohnquartier bisher verbindlich gilt, zu tun. Dort soll offenbar mit der Planverwirklichung eine hinterhofartige Situation mit einem entsprechend verschatteten Bild
entstehen. Die „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ (vgl. § 1 Abs. 5 BauGB) werden damit nicht nur ignoriert; es wird vielmehr diametral gegen diese geplant.
Bürgerbeteiligung
Das betreffende Bebauungsplanverfahren verstieß gegen die Vorgaben von § 3 (1) BauGB. Die Öffentlichkeit wurde – im Unterschied zu den Trägern öffentlicher Belange – weder über den Entwurf des Bebauungsplanes und dessen Begründung unterrichtet, noch wurde ihr vor der Auslegung Gelegenheit zur Erörterung des konkreten Planentwurfs gegeben.
Die betreffenden Unterlagen wurden erst nach einer sogenannten „Bürgerversammlung“, die am 05.12.2017 stattfand, gefertigt. Dort wurden lediglich Architektenpläne, aber keine der vorgesehenen planungsrechtlichen Festsetzungen wie z.B. über Art und Maß der baulichenNutzung der betreffenden Grundstücke oder über die Abstandsflächenproblematik bei den
Hochhäusern erörtert. Eine Abstimmung über die vorgeschlagene Nullvariante zur Nachverdichtung des Wohnquartiers wurde im Unterschied zu den Entwürfen der Architekten nicht zugelassen, Stimmenthaltungen nicht gezählt.
Der zweite Verfahrensschritt verstieß gegen § 3 (2) BauGB, weil mit der Corona-Pandemie ein „wichtiger Grund“ für eine verlängerten Auslegungsfrist vorlag, der jedoch vom Bezirksamt ignoriert wurde. Koordinierte Stellungnahmen zum Planentwurf waren daher nicht möglich, weil ein relevanter Teil der Planungsbetroffenen nicht per Internet erreichbar war und ist. Selbst die Vorschrift, dass die Veröffentlichung des Planentwurfs etc. „eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen ist“ wurde nicht ausreichend beachtet. Eine ortsübliche Bekanntmachung darf hier nicht nur durch die termingerechte Veröffentlichung
im Amtsblatt erfolgen. Zusätzlich hätte sie durch eine ebenfalls fristgerechte Postwurfsendung oder Ähnliches erfolgen müssen, was jedoch nicht der Fall war. Die entsprechenden Informationen wurden nur 3 Tage vorher, am Freitag, dem 07.05.2021
zugestellt.
Erforderlichkeit der Planung
Das betreffende Bebauungsplanverfahren verstößt gegen die Vorgaben von § 1 (3) BauGB, denn das Planverfahren ist nicht „erforderlich“. Die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erfordern keine Überplanung des bestehenden Bebauungsplanes XI-61 vom 26.04.1962. Ein „Hoher Bedarf an Wohnraum“ und „besonderes Augenmerk auf die Innenentwicklung“ sind keine städtebaulichen Argumente zur Rechtfertigung massiv überhöhter Grundstücksausnutzungen, die hier auch ohne Berücksichtigung
unterschiedlicher gesamtstädtischer Gegebenheiten angestrebt werden.
Die bestehenden spezifischen Qualitäten von Wohnquartieren, wie hier in der Siedlung „Am Mühlenberg“, müssen berücksichtigt werden. Es liegt hier weder ein Reparaturbedarf noch ein städtebaulicher Missstand vor, der ausgerechnet durch Nachverdichtung behoben werden müsste.
Hinzu kommt, dass die Geltungsbereichsgrenzen des Bebauungsplans offensichtlich auch aufgrund der gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse der betreffenden Grundstücke gewählt wurden, was als städtebauliches Ziel irrelevant ist, denn Eigentumsverhältnisse können sich verändern. Gesellschaftliche Verpflichtungen einer landeseigene Wohnungsbaugesellschaft
Dass ausgerechnet die landeseigene Gewobag, mit Unterstützung durch das Bezirksamt, in solchem Maße gegen die Interessen ihrer Mieter*innen verstößt, sowie auch die Erfordernisse zukünftiger Generationen missachtet, enttäuscht in besonderem Maße.
Der vorliegende Bebauungsplan setzt sich über die Sorgen und Bedenken aus der Bevölkerung hinweg und missachtet rechtliche Vorgaben, insbesondere zur Bürgerbeteiligung bei der geplanten Errichtung von Hochhäusern. Dies gefährdet die Demokratie und riskiert, die ohnehin verbreitete Politikverdrossenheit in weiten Kreisen der Bevölkerung zu vertiefen. Wie sollen sie noch das Vertrauen haben gehört zu werden und dass ihre Interessen berücksichtigt werden, wenn das Ergebnis von vornherein festzustehen.
Gesellschaftliche Verpflichtungen einer landeseigene Wohnungsbaugesellschaft
Dass ausgerechnet die landeseigene Gewobag, mit Unterstützung durch das Bezirksamt, in solchem Maße gegen die Interessen ihrer Mieter*innen verstößt, sowie auch die Erfordernisse zukünftiger Generationen missachtet, enttäuscht in besonderem Maße.
Der vorliegende Bebauungsplan setzt sich über die Sorgen und Bedenken aus der Bevölkerung hinweg und missachtet rechtliche Vorgaben, insbesondere zur Bürgerbeteiligung bei der geplanten Errichtung von Hochhäusern. Dies gefährdet die Demokratie und riskiert, die ohnehin verbreitete Politikverdrossenheit in weiten Kreisen der Bevölkerung zu vertiefen. Wie sollen sie noch das Vertrauen haben gehört zu werden und
dass ihre Interessen berücksichtigt werden, wenn das Ergebnis von vornherein festzustehen scheint.